Der berühmte Philosoph Theodor Adorno forderte bereits 1944 eine Welt, in der man ohne Angst verschieden sein kann. Aus seiner Sicht gehört das Vermeiden von Diskriminierung zu den ethischen Mindeststandards (“Minima Moralia”) für das Funktionieren einer Gesellschaft. Sein Appell ist heute wichtiger denn je! Angesichts der aktuellen Fluchtbewegungen aus Krisengebieten, wird in den Unternehmen vor allem die interkulturelle Zusammenarbeit zu einer nie dagewesenen Herausforderung und Chance zugleich.
Was bedeutet Vielfalt für Teams und Unternehmen?
Diversity hat viele Gesichter. Wir Menschen unterscheiden uns nicht nur durch unsere kulturelle Identität (Herkunft), sondern auch durch Alter, Geschlecht, Bildung, Gesundheit, sozio-ökonomischer Hintergrund, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung – um einige der primären Vielfaltsmerkmale zu nennen, die uns so stark prägen, dass sie immer wieder zum Autopiloten für unser Verhalten werden. All das macht Zusammenarbeit in den Unternehmen nicht gerade einfacher. Addieren wir noch, dass jeder Mitarbeitende zusätzlich eine individuelle Persönlichkeitsstruktur ausleben möchte, ist es geradezu ein Wunder, dass Teamarbeit überhaupt funktioniert.
Verschiedenheit ist anstrengend. Trotzdem kann sie in einem Team auch sehr fruchtbar sein. Im Idealfall führt sie zu ausgewogeneren Entscheidungen, zu kreativeren Lösungen und zu mehr Produktivität. Davon sind jedenfalls viele Teamentwickler:innen überzeugt. Die Diversity-Forschung sieht das jedoch etwas differenzierter.
Welche Risiken und Chancen bietet Diversity für ein Team?
Diversität ist kein Selbstläufer in Richtung High Performance Team. Die Vielfalt im Team macht enorme Synergie-Vorteile zwar möglich, aber nicht sicher. Das zeigt eine Meta-Studie der Universität Konstanz (2017): Diversity-Merkmale können sowohl positive als auch negative und nicht signifikante Auswirkungen auf die Teamergebnisse haben.
Heterogene Teams zerfallen leichter in Sub-Teams, d.h. es verbünden sich Teammitglieder, die sich etwas ähnlicher sind (Byrne, 1971) gegen die „Anderen“. Es entstehen In- und Out-Groups (Tajfel, 1981), wie die Jungen gegen die Älteren, die Einheimischen gegen die mit Migrationshintergrund oder die Geimpften gegen die Impfgegner. Diese informelle Gruppenbildung kann die Synergie-Effekte der Diversität komplett aushebeln. Durch Klüngelei nach innen und Abgrenzung nach außen, sind Missverständnisse und Konflikte dann an der Tagesordnung. Diese Tendenz kann sich durch hybride Arbeitsformen noch verstärken. Eine gezielte Planung von Home-Office und Präsenzzeiten ermöglicht den In-Group-Members den Out-Groups aus dem Weg zu gehen und sich noch weiter voneinander zu entfernen.
Wie können Diversity-Teams das Beste aus allen Welten nutzen?
Die Konstanzer Diversity-Studie (2017) macht aber auch Hoffnung. Sie zeigt, was Team-Leader tun können, damit sich die positiven Effekte der Diversität entfalten. Diversity braucht Moderation, zum Beispiel um das Team immer wieder einzuladen, ihre Vielfalt gemeinsam zu entdecken und ressourcenorientiert zu betrachten: Was unterscheidet uns? Was verbindet uns? Und wie wollen wir zusammenarbeiten, um das Beste aus allen Welten zu nutzen? Die Studie empfiehlt Führungskräften mit einem beziehungsorientierten Führungsstil für ein wertschätzendes Arbeitsklima zu sorgen und die heterogenen Teammitglieder über eine Vision oder ein gemeinsames sinnstiftendes Ziel zu verbinden (Transformationale Führung).
Fazit: Die Antwort auf die zunehmende Vielfalt in der Arbeitswelt heißt Diversity Management. Es ist ein Ansatz, der Adornos Idee aufgreift und sogar noch darüber hinausgeht: Menschen sollen aktiv nach Gemeinsamkeiten suchen sowie alle Unterschiede nicht nur anerkennen, sondern sie sogar wertschätzen und synergetisch nutzen. Moderierende Führungskräfte machen den Unterschied – sie können in ihren Teams den produktiven Umgang mit Vielfalt fördern und somit einen wesentlichen Beitrag leisten, das Erfolgspotenzial von Diversity zu erschließen.
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Quellen:
Boerner, S., Hüttermann, H. & Reinwald, M. (2017): Effektive Führung heterogener Teams Wie kann das Erfolgspotential von Diversity genutzt werden? Erschienen in: Gruppe. Interaktion. Organisation : Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO) ; 48 (2017), 1. – S. 41-51
Byrne, D. (1971). The attraction paradigm. New York: Academic Press.
Tajfel, H. (1981). Human groups and social categories – studies in social psychology. Cambridge: Cambridge University Press.