Der Swift-Trust-Effekt: Wie Vertrauen im Projekt-Team gelingt

Der Swift-Trust-Effekt: Wie Vertrauen im Projekt-Team gelingt

Wie schnell vertrauen Sie neuen Bekanntschaften? Normalerweise verschenken wir Menschen unser Vertrauen erst dann, wenn wir uns über einen längeren Zeitraum auf jemanden verlassen können. Vertrauen muss man sich verdienen. Zumindest gilt das für unsere privaten Kontakte. Doch innerhalb eines Unternehmens gelten andere Gesetze – da scheint Vertrauen ein Heimspiel zu sein. Das zeigt eine Studie über den Swift-Trust-Effekt von Debra Meyersen und Kollegen.

Bereits im Jahr 1996 untersuchten Debra Meyersen und Kollegen die Vertrauensbildung in neu formierten Projektgruppen. Erstaunlicherweise vertrauten sich die Projektmitglieder ab der ersten Minute, obwohl sie sich noch gar nicht kannten. Dieser Effekt des schnellen Vertrauens (Swift Trust) zeigte sich jedoch nur dann, wenn die Teammitglieder alle aus demselben Unternehmen kamen.

Wie können wir das schnelle Vertrauen erklären?
Die Frage ist: Warum brauchen wir innerhalb eines Unternehmens in neuen Projekten keinen Vorlauf für Vertrauen? Dafür gibt es mehrere Thesen:

1. Die Projektmitglieder gehen davon aus, dass alle Mitarbeitenden in ihrer Firma ähnlich kompetent sind – schließlich mussten sich alle im selben Personal-Auswahlverfahren erfolgreich durchsetzen. Das ist wie bei einer temporären Fußball-Nationalmannschaft, wo sich am Anfang der Weltmeisterschaft die wenigsten Spieler persönlich kennen. Trotzdem vertrauen alle darauf, dass nur die Besten in den Kader berufen wurden.

2. Wer im selben Unternehmen arbeitet, kennt auch die handlungsleitenden Werte und ist geprägt von der Unternehmenskultur. Alle wissen, wie man in dieser Firma tut. Die Organisation hat das Feld für erwünschtes Verhalten bereits abgesteckt. Diesen Heimvorteil genießt auch eine temporäre Nationalmannschaft. Alle sind erfahrene Fußball-Profis und kennen die Spielregeln. Hier muss niemandem erklärt werden, was ein Foul ist.

3. Das neue Projektteam verbindet von Anfang an ein gemeinsames Ziel. Alle Projektmitglieder wollen dasselbe, nämlich das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Alle Nationalspieler und Nationalspielerinnen wollen den Pokal holen. Da ist es doch ein leichtes Spiel den anderen Teammitgliedern zu vertrauen, dass sie ebenfalls ihr Bestes geben und an einer guten Zusammenarbeit interessiert sind.

Der Haken am Swift-Trust-Effekt?
Wie wir sehen, unterstützt der Aktionsrahmen der Organisation das schnelle Vertrauen in temporär angelegten Projekt-Teams. Werden damit vertrauensbildende Maßnahmen in Form einer Teamentwicklung überflüssig? Nein, ganz sicher nicht! Denn die Swift-Trust-Studie zeigt, das schnelle Vertrauen ist fragil. Die Forschungsgruppe von Meyersen stellte fest, dass es sich hier nur um einen Vertrauensvorschuss handelt, den die Teammitglieder dann in der täglichen Zusammenarbeit überprüfen. Das Vertrauen wird schnell nach unten korrigiert – sollte die Kollegin, der Mitarbeiter oder die Führungskraft die Erwartungen enttäuschen. Auch Heimspiele können verloren werden!

Die Chance des Swift-Trust-Effekts? Der Swift-Trust-Effekt ist ein guter Anfang für alle neu formierten Teams innerhalb eines Unternehmens. Er bringt Projektgruppen schnell in eine produktive Kollaboration. Der gemeinsame organisationale Aktionsrahmen sorgt dafür, dass sich alle sofort einen Vertrauensvorschuss geben. Das ist eine kluge Entscheidung, schon wegen der in der Psychologie vielfach nachgewiesenen magischen Kraft der Erwartung (Pygmalion-Effekt). Mit Vertrauen adeln wir unser Gegenüber und wie das französische Sprichwort sagt: Adel verpflichtet. Vertrauen holt aus Menschen das Beste heraus, deshalb sind Unternehmen mit einer Vertrauenskultur auch wirtschaftlich erfolgreicher – belegt Management-Berater Reinhard Sprenger in seinem Bestseller „Vertrauen führt“ (2007).

Vom Swift-Trust-Effekt zu einer nachhaltigen Vertrauenskultur!
Es gibt drei Ebenen, auf denen wir den Swift-Trust-Effekt verstärken und seine Haltbarkeit verlängern können:

1. Vertrauen stärken auf der organisationalen Ebene
Eine Vertrauenskultur braucht einen für alle transparenten und zuverlässigen Aktionsrahmen der Organisation. Dazu gehören unter anderem offengelegte Kriterien für Einstellungen, Vergütung und Beförderung sowie geklärte Werte als Kompass für erwünschtes Verhalten und ein attraktives Ziel, das Sinn stiftet und mit dem sich alle identifizieren (Purpose).

2. Vertrauen fördern auf der Führungsebene
Führungskräfte können einen bedeutenden Betrag zu einer Vertrauenskultur leisten, wenn sie auf Transparenz und Ehrlichkeit setzen. Ein schönes Beispiel dafür, ist der in einigen Firmen praktizierte öffentliche Chat zwischen Top-Management und der Belegschaft: „Ask me, whatever you want“. Die Mitarbeitenden dürfen in einem geschützten Chat-Raum alle erdenklichen Fragen stellen und die Führungskräfte antworten – beides für alle sichtbar. Führungskräfte, die sich in die Karten schauen lassen, ihre Absichten und Ziele transparent machen und den Dialog mit Mitarbeitenden suchen, fördern eine nachhaltige Vertrauenskultur.

3. Vertrauenskompetenz aufbauen auf der individuellen Ebene
Während das Thema Vertrauen in vielen Leadership-Ausbildungen ein fester Bestandteil ist, werden die Mitarbeitenden normalerweise damit allein gelassen. Soll jedoch eine nachhaltige Vertrauenskultur entstehen, so brauchen wirklich alle im Unternehmen die Kompetenz mit Vertrauen zielorientiert umzugehen. Die Lernziele einer solchen Vertrauens-Qualifizierung können schon mit einem 2 – 3-stündigen Online-Training erreicht werden.

– wissen, was Vertrauen ist und wie Vertrauen entsteht.
– lernen, was Kluges von Blindem Vertrauen unterscheidet.
– sich davon überzeugen, dass sich ein Vertrauensvorschuss lohnt.
– klären, welche Erwartungen mit dem Vertrauensvorschuss verbunden sind.
– Maßnahmen entwickeln, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
– den eigenen Beitrag zu einer Vertrauenskultur im Team definieren.

Haben Sie Interesse, ein Vertrauenstraining zu testen? Sie finden das 3-stündige Online-Training bei COMPETENCE ON LINE unter Kursangebot

Verwendete Quellen:
Meyersen, D., Weick, K. E. & Kramer R. M. (1996): Swift Trust and Temporary Groups. In: R.M. Kramer & T. R. Tyler (Eds.), Trust in Organizations: Frontiers of Theory and and Research. New York: Springer
Osterloh, M. & Weibel, A. (2006): Investition Vertrauen. Prozesse der Vertrauensentwicklung in Organisationen. Wiesbaden: Gabler
Sprenger, R. (2002): Vertrauen führt. Worauf es im Unternehmen wirklich ankommt. 2. Auflage, Frankfurt am Main: Campus

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